"Wenn du laufen willst, lauf eine Meile. Wenn du ein neues Leben willst, lauf Marathon." Emil Zátopek
Der bevorstehende Sommerurlaub 1988 rückt näher. Das beabsichtigte Ortler-Projekt ermahnt uns, Fitness-Arbeit aufzunehmen. Wir vermuten, dass bei konsequentem Training etwas mehr als 3 Monate Vorbereitung ausreichen werden. Über unseren Bewegungs- und Stützapparat und dessen Defizite machen wir uns wenig Gedanken. Ohne Orthopäden, Internisten oder Kardiologen zu befragen, kaufen wir neben Laufschuhen eine Anleitung für Anfänger und laufen am 1. Mai 1988 einfach los. Unser regelmäßiges Lauftraining sieht zunächst Einheiten jeweils samstags und sonntags sowie 2x während der Woche vor. Als Laufstrecke wählen wir eine 5,5 km lange Runde um den Decksteiner Weiher im Äußeren Kölner Grüngürtel, den wir mit dem Fahrrad erreichen (2,3 km einfache Strecke). Der Einstieg fällt schwerer als erwartet. Ehe wir die Runde ohne Gehpausen laufen können, sind zunächst einige Lektionen zu lernen. Doch dann startet ein Läuferleben, den die Artikelserie 30 Jahre Laufglück dokumentiert.
Lauf-Events ab 1988 in Bildern - Jahres-Laufchroniken als Clip: 1989 - 1990 - 1991 - 1992 - 1993 - 1994 - 1995
Lektion 1: Der innere Schweinehund meldet sich!
Nach mehrjähriger sporadisch-moderater sportlicher Lebensweise, mit einigen Kilos überflüssigem Körpergewicht und knirschenden Kniegelenken müssen wir im Alter von 38 Jahren zur Kenntnis nehmen, wie sich unser Körper physisch und psychisch gegen intensives regelmäßiges Training wehrt. Bereits vor dem Training stellen sich starke Unlustgefühle ein, die sich während des Laufens verstärken, nahtlos in mehrtägigen Muskelkater und anhaltende körperliche Beschwerden übergehen. Zweifel an der Sinnhaftigkeit unseres Tuns müssen wir nicht suchen, sie liegen auf der Hand. Dank Trainingsanleitung für Laufanfänger sind wir auf derartige Signale eingestimmt und werfen nicht gleich die Flinte ins Korn. Bandagen stützen die Fußgelenke. Gegen schmerzende Kniegelenke helfen Eispackungen und Salbenverbände. Hilfreich für die Motivation sind Verabredungen mit Freunden zum gemeinsamen Laufen.
Lektion 2: Der innere Schweinehund ist nur ein Kläffer!
5,5 km bewältigen wir zunächst mit mehreren Gehpausen in ca. 30 Minuten, aber schon bald stellen sich Fortschritte ein. Gehpausen werden kürzer und seltener. Bereits nach wenigen Wochen können wir die Runde ohne Pausen durchlaufen und sind begeistert. Als neues Ziel nehmen wir uns vor, die Marke von 25 Minuten für die Runde zu unterbieten. Nachdem die Marke geknackt ist, fahren wir nicht mehr mit dem Fahrrad zur Laufstrecke, sondern nutzen 2,3 km Weg vom/zum Wohnsitz als Ein- und Auslaufstrecke, sodass wir insgesamt ca. 10 km zurücklegen. Auch diese Distanz bereitet bald keine Probleme. Wir erweitern unsere Runde um eine zusätzliche Schleife von 3,1 km um den Adenauerweiher in Müngersdorf und laufen nun abwechselnd Distanzen von ca. 10 oder 13 km. 3 Monate nach dem mühsamen Einstieg freuen wir uns jetzt auf das Training. Unsere Standardrunde legen wir in 1:10 - 1:20 Std. zurück und empfinden das Wochenpensum von ca. 50 km als Belohnung. Wir fühlen uns wie neu geboren und sehen unserem Ortler-Projekt mit Optimismus entgegen.
Lektion 3: Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft! - Emil Zátopek
Nach monatelanger Vorbereitung folgt eine Phase des Feinschliffs mit einer Eingeh-Woche in Südtirol, einem einwöchigen Eiskurs in den Ötztaler Alpen (Fotogalerie) und einer von Kurt Fritz geführten Gletschertour von Sulden auf den Cevedale (3.778 m). Zwei Tage später erreichen wir bei traumhaftem Wetter mit Bergführer Robert Erb den 3.905 m hohen Ortlergipfel (Tourenbericht).(1)
Das mit Worten kaum zu beschreibende Erlebnis verändert unser Leben nachhaltig. Wir begreifen, dass mit relativ geringem Aufwand betriebenes Lauftraining nicht nur die Ausdauerleistung verbessert, sondern dass Lauftraining zuvor verschlossene Welten zugänglich macht. Erfolgserlebnisse motivieren uns, regelmäßiges Lauftraining ganzjährig in unseren Alltag zu integrieren. Wir verstehen uns jetzt als 'Läufer' und als 'Bergsteiger'. Beide Aktivitäten ergänzen sich perfekt. Als ‚Läufer’ suchen wir Kontakt zu anderen Läufern, mit denen wir gemeinsam trainieren, Wettkämpfe bestreiten, Erfahrungsaustausch betreiben. Als 'Bergsteiger' unternehmen wir ab 1989 mit Bergführern anspruchsvollere Gipfeltouren in den Ostalpen (Königsspitze, Fineilspitze, Weißkugel) und in den Westalpen (Monte Rosa Gruppe, Allalinhorn, Breithorn, Strahlhorn, Dom). Mit zunehmender Erfahrung werden unsere eigenen Unternehmungen auf Dreitausender und auf herausfordernden Klettersteigen in der Brenta kühner. (Tourenbeschreibungen: Gipfelglueck)
Erst allmählich lernen wir in den nächsten Jahren, dass regelmäßiges Lauftraining nicht nur unserer Fitness dient, sondern auch der körperlichen und mentalen Gesundheit nutzt und dieser Nutzen mit dem Alter zunimmt. Außerdem lernen wir allmählich eine weitere Lektion 4: Der innere Schweinehund bleibt ein anhänglicher Begleiter, der Erziehung erfordert und nur so stark ist, wie wir schwach sind.
Die ersten Wettkämpfe
Kölner Brückenlauf, 11.09.1988 Fotogalerie - Alexanderlauf Thessaloniki, 10.10.1988 Fotogalerie - Laufbericht


Als eine der schnellsten Kölnerinnen des Brückenlaufs erhält Gisela eine Einladung zur Teilnahme am Alexanderlauf in Thessaloniki über 20 km. Ich begleite die Kölner Laufgruppe und bestreite in Thessaloniki meinen ersten Wettkampf. Das intensive Wochenende wirkt lange nach und bildet den furiosen Auftakt einer Laufkarriere, von der wir zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, welche Welten sie uns eröffnen wird.
Die Reise nach Thessaloniki markiert zugleich den Beginn einer lebenslangen Freundschaft mit Heide und Helmut. Als Laufanfänger profitieren wir von Heide und Helmuts Erfahrungen. Als Familie sind sie und ihre beiden Söhnen eine Institution der Kölner Laufszene. Die Söhne haben mittlerweile das Haus verlassen. Die hinterlassene Lücke schafft Platz. An Wochenenden treffen wir uns zum gemeinsamen Training und nehmen gemeinsam an zahlreichen regionalen Laufveranstaltungen teil. Unsere Gruppe erfährt bald Verstärkung und wächst zu einem Freundeskreis zusammen, der über gemeinsames Laufen hinausreicht und bis heute existiert.(2)
Nach dem Ruf des Berges ruft jetzt der Marathon - Aufbaujahre ab 1989
Lauftraining, Volksläufe und Läuferkontakte rücken in das Zentrum unserer privaten Interessen, womit sich im Alltag Prioritäten zwangsläufig verschieben. Wir beschäftigen uns mit Laufliteratur und abonnieren das von Manfred Steffny herausgegebene führende deutsche Laufmagazin Spiridon. Die Marathonszene ist damals überschaubar und liegt außerhalb unseres Horizonts, bis wir 1989 den Duisburg-Marathon als Zuschauer beobachten. Ähnlich wie an der Payerhütte 1987 sehen wir im Ziel Menschen, die nach der Tortur von 42,195 km Straßenlauf intensive Glücksgefühle ausstrahlen. Marathonlauf und Ortlertouren scheinen verschwistert zu sein. Beide machen auf eine Art und Weise glücklich, wie sie im Alltag selten zu finden ist.(3) Die Besonderheit dieses Glücks beruht u.E. auf dem Sachverhalt, dass es sich um verdientes Glück handelt. Beide Herausforderungen erfordern überdurchschnittliche Fitness, lange Vorbereitung, Belastbarkeit und starke Motivation. Das ist der Preis. Glück ist der Lohn für zuvor geleistete Arbeit, für Verzichte und Askese. Gipfelglück kennen wir bereits. Es ist jede Anstrengung wert. Laufglück in der Intensität, wie sie Marathonläufer erfahren, machen wir zur neuen Herausforderung, die natürlich nicht kostenlos ist. Wir sind bereit, diesen Preis zu zahlen und nehmen uns vor, Marathontraining zu betreiben, um in einem Jahr einen Marathon in Duisburg oder in Bonn zu laufen.
Unser Lauftraining orientiert sich an Manfred Steffnys Klassiker ‚Marathon-Training’. Wir strukturieren das Training und laufen durchschnittlich 5 Einheiten pro Woche mit insgesamt 60-90 km Umfang. Die Erhöhung von Anzahl, Umfang und Intensität der Laufeinheiten zeigt zwei Seiten. Läuferisch verbessern wir uns deutlich, aber die Anpassung körperlicher Strukturen an die ungewohnte Belastung erfolgt nicht synchron zur Belastungssteigerung, sondern verzögert, so dass sich Überlastungsprobleme einstellen, die uns immer wieder zurückwerfen. Orthopäden bieten keine wirkliche Hilfe. Sie behandeln ‚klinische Symptome', ohne möglichen Ursachen nachzugehen. Laufschuhhersteller versprechen mit angeblich revolutionären Materialien, Dämpfungssystemen und Konstruktionen ihrer Produkte die Überwindung belastungsindizierter Beschwerden. In unserer Unerfahrenheit vertrauen wir derartigem Marketing-Geschwätz und lernen erst allmählich, dass Laufschuhe eher Teil des Problem-Syndroms sind.
Muskelverletzungen und Beschwerden an Sehnen, Bändern und Gelenken erklären wir uns mit der Einseitigkeit der Belastung, die wir mit Ausgleichssportarten zu kompensieren versuchen. Ein wöchentlicher Fitnesskurs trainiert Rumpfmuskulatur, Beweglichkeit und Bewegungskoordination.(4) Im Winter spielen wir in der Halle Badminton und verbinden Reisen mit Skilanglauf. Wir legen uns Rennräder und ein Fahrradergometer zu. Rennräder nutzen wir als Trainingsgerät im Sommerhalbjahr. Das Fahrradergometer kommt zum Einsatz, wenn wir verletzungsbedingt nicht laufen können. Zusätzlich stellen wir unsere Ernährung um. Von vollwertiger und ausgewogener Ernährung versprechen wir uns keine signifikanten Leistungssteigerungen, aber wir sind inzwischen gesundheitsbewusster und darauf bedacht, unser Körpergewicht zu regulieren. In der Theorie beschäftigen wir uns mit Trainingsmethodik sowie physiologischen Vorgängen von Bewegungsapparat und Stoffwechsel. Die praktische Umsetzung von Erkenntnissen gelingt jedoch vorerst unbefriedigend.(5)
Wie werden Läufer zu Marathon-Runnern (Vol. 1)? - Fotogalerie Laufseminar Manfred Steffny

Marathon-Lehrjahre 1990/91
1. Marathon in Berlin am 30.09.1990 – Wir sind Helden! - Laufbericht - Fotogalerie


Eine Kölner Lokalzeitung wird auf Gisela aufmerksam (auf welchem Wege, ist nicht mehr nachvollziehbar) und lädt sie zu einem Interview ein. Am 8. Juni 1990 veröffentlich der ‚Express’ ein Porträt mit Foto unter dem Titel: „Kölner Lehrerin mit 40 zum ersten Mal beim Marathon-Lauf“. Heimlich können wir nicht in Berlin starten. Gisela steht unter Beobachtung. - Fotogalerie


Das internationale Starterfeld des Marathons strömt bei perfektem Spätsommerwetter zur Siegessäule auf dem Tiergarten. Die Szene fühlt sich unwirklich an. Die ausgelassene Stimmung der Teilnehmer irritiert uns. Auf dem Weg zu einer schweren Prüfung haben wir ernste Anspannung erwartet. Stattdessen zeigen fast alle Starter beeindruckende Vorfreude, obwohl sie wissen, dass die Prüfung gleich beginnt. Wir wissen nicht, ob die gute Laune nur vorgetäuscht oder real ist, lassen uns aber gerne anstecken. Als befreiend empfinden wir das Ende der langen Vorbereitung und den bevorstehenden Zeitpunkt der Wahrheit.

Nach dem aufregenden Start müssen wir jetzt unser Tempo finden. Seite an Seite laufen wir relativ konstant das verabredete Tempo von ca. 5 Min./km. Ab 30 km werden wir etwas langsamer und erwarten mit großem Respekt den Mann mit dem Hammer. Er lässt sich nicht blicken. In Kreuzberg steppt der Bär. Am ‚Wilden Eber’ liegen bereits 35 km hinter uns. Die enthusiastische Atmosphäre verleiht noch einmal Flügel. Endorphin reicht bis in die Haarspitzen und maskiert alle Anstrengungen. Auf dem Kurfürstendamm fliegen wir dem Ziel unseres ersten Marathons entgegen. Finish in 3:42:49 Std.! Ein emotionaler Rausch (vermutlich ein Runner's High) erfasst uns und klingt über Wochen nur langsam ab.(3) Wir sind Helden!
Nürburgring-Lauf 14.10.1990 - Fotogalerie

Frankfurt-Marathon 28.10.1990 - Fotogalerie

Wie werden Läufer zu Marathon-Runnern (Vol. 2)? - Fotogalerie Trainingslager Rovinj


Im Trainingslager lernen wir Trainingsmethoden in Theorie und Praxis kennen und nehmen Erkenntnisse mit. Um Leistungsgrenzen auszuloten und zu verschieben, müssen wir mehr, härter, strukturierter und kontrollierter trainieren. Wir beschließen, sukzessive auf tägliches Lauftraining umzustellen und den aktuellen Lauf-Gesamtumfang von ca. 2.500 km/Jahr allmählich auf 5.000 km/Jahr zu erhöhen. Unser Trainingsaufbau orientiert sich an einer zweigipfligen Periodisierung mit Wettkampfphasen im Frühjahr und im Herbst. Schnell erweist sich, dass tägliches Training in Konflikte führt. Während der Woche kollidiert das Abendtraining mit sozialen Kontakten und nicht planbaren Arbeitszeiten oder es scheitert an Müdigkeit. Wir geben nicht auf und experimentieren anfangs mit einer Mischung von Morgen- und Abendtraining, bis wir schließlich vollständig auf Morgentraining umstellen und unsere Tagesroutinen anpassen. An Werktagen ist um 4:30 Uhr Weckzeit, damit wir um 5:30 Uhr zum ein- bis zweistündigen Training starten können. Der Tagesablauf verlangt am Morgen und am Abend Disziplin. Um 21:00 Uhr ist Schlafenszeit, manchmal auch früher und nur selten später. Nach mehrmonatiger Eingewöhnungsphase des Rhythmus halten wir ihn bis zum Ende unseres Berufslebens aufrecht.
Wir werden schneller und ernten auf Distanzen von 10 km bis Halbmarathon bald Früchte. Bei Volksläufen steht Gisela regelmäßig auf dem Siegertreppchen ihrer Altersklasse. Mitunter wird sie auch zur Ehrung der Gesamtsieger aufgerufen. Zu Hause wächst die Pokal-Sammlung und verlangt nach einer Vitrine. Um vergleichbare Leistungssteigerungen auf der Marathondistanz zu erzielen, bedarf es noch einiger Erfahrungen, die nicht immer schmerzfrei bleiben, aber aus Fehlern lernt man bekanntlich am meisten.
Leipzig-Marathon 22.06.1991 - Fotogalerie, Duisburg-Marathon 21.09.1991 - Fotogalerie


Drei Monate später laufen wir unseren ersten von etlichen weiteren Duisburger Hitze-Marathons. Gisela behält in der Hitze kühlen Kopf und erreicht nach defensivem Lauf das Ziel in 3:40 Std.. Ich wiederhole das Leipzig-Muster, gehe wieder zu schnell an, trinke zu wenig und muss im Ziel nach 3:21 Std. dehydriert im Sanitätszelt versorgt werden. Kölner Freunde an der Strecke und im Ziel motivieren mich zum Durchhalten.
Beginn der Erfolgsjahre ab 1992
Hamburg-Marathon 25. April 1992 - Fotogalerie


In Hamburg treffen wir Giselas Lehrerkollege Klaus F.. Während ich mein eigenes Tempo gehe, laufen Gisela und Klaus zunächst zusammen, obwohl Klaus bald schwächelt. Nach 30 km trennen sich nicht die Wege, aber die Tempi. Dank guter Vorbereitung und gereifter Taktik finishen wir trotz Hitze in 3:15 Std. (Karlheinz) und 3:34 Std. (Gisela) mit neuen persönlichen Bestzeiten, die wir nicht als Endpunkt unserer Entwicklung betrachten.


Im Oktober 1992 erreicht Gisela beim Kölner Friedenslauf das Ziel als Gesamtsiegerin in 42:xx Minuten. Radio Köln berichtet vor Ort und interviewt die Sieger. - Fotogalerie
Zeiten von 42.xx Minuten über 10 km ermöglichen auf der Marathon-Distanz Zeiten unter 3:30 Std.. Gisela agiert jedoch vorsichtig. Im September 1992 finisht sie beim Duisburg-Marathon in der Zeit von 3:33 Std. (Fotogalerie). Ein Jahr später steigert sie sich beim Berlin-Marathon auf 3:27 Std.. - Fotogalerie
New-York-City-Marathon, 7. November 1993 - Laufbericht - Fotogalerien: Frühstückslauf, Marathon, Florida)

Privates Trainingslager in Südtirol im März/April 1994 - Fotogalerie

Neue Bestzeiten beim Hamburg-Marathon 1994 - Fotogalerie


1. Ultralauf auf dem Rennsteig 1994 - Laufbericht - Fotogalerie


New-York-City-Marathon, 6. November 1994 - Laufbericht - Fotogalerien: Frühstückslauf, Pasta-Party, Marathon
Gisela hat im Kollegenkreis offenbar derart begeistert über mein New-York-Erlebnis berichtet, dass Kollegen mit Billigung der Schulleitung anbieten, Giselas Unterricht für einige Tage zu übernehmen, damit sie am New-York-City-Marathon teilnehmen kann. Solche Chancen darf man nicht ungenutzt vorbeiziehen lassen. Gisela bereitet natürlich den vertretenen Unterricht vor und revanchiert sich nach Rückkehr aus New York mit Vertretungen.


Wir verstehen uns mittlerweile als Marathon-Läufer, was uns vor Überraschungen nicht schützt. Meine exzellente Form des Frühjahres kann ich im September beim Kölner-Brückenlauf bestätigen (Fotogalerie), aber bis November kann ich sie nicht konservieren und laufe in New York ohne Form meinen 6. Marathon in 3:30 Std.. Gisela tritt ihren 7. Marathon in New York in der Form ihres Lebens an. In ihrer Euphorie vernachlässigt sie die Tempokontrolle und überzieht. Auf der 2. Hälfte bricht sie ein und finisht trotzdem in 3:27 Std..
Obwohl der Lauf für uns keineswegs perfekt gerät, zählt die Reise zum NYC-Marathon 1994 zu unseren intensivsten Lauferlebnissen und zu den Highlights unseres Läuferlebens. Nach mehr als 20 Jahren sind viele Details der Reise in der Erinnerung noch immer präsent.
1994 absolvieren wir 4.920 / 5.180 Laufkilometer (Training inkl. Wettkampf). Die Kombination von Fleiß und Erfahrung belohnt uns mit erinnerungswürdigen Ereignissen und neuen persönlichen Bestzeiten.
Zwischenjahr 1995

Während Gisela eine zweijährige Marathonpause einlegt, versuche ich im Frühjahr 1995 beim Duisburg-Marathon die Qualifikation für den 100. Boston-Marathon 1997 zu erreichen. Das Tempo überfordert mich. Ich breche den Lauf ab. - Fotogalerie
Im Herbst unternehme ich gemeinsam mit Josef einen weiteren Versuch beim Frankfurt-Marathon und scheitere erneut. - Fotogalerie
Schlägt das Alter zu? Haben wir zu schnell gesteigert, zu intensiv trainiert, Tempo und Training übertrieben? Einfache Antworten liegen nicht auf der Hand. Ziele sind zu überdenken und neu zu justieren. Wie wir diese Fragen beantworten, beschreibt das Kapitel '1996-2010: (Ultra-) Marathon All Over the World'.
Anmerkungen
- Artikel der FAZ aus 2004: Der Berg ruft. Vor 200 Jahren wurde der Ortler erstmals bestiegen
Deutscher Alpenverein: 200 Jahre Ortler (PDF) - 2011 verlässt uns Helmut unfreiwillig: Helmut läuft nicht mehr
- Sportliche Aktivitäten (und andere Aktivitäten) aktivieren unter bestimmten Bedingungen ein intrinsisches Belohnungssystems, das auf Wechselwirkungen zwischen psychologischen und neurophysiologischen Prozesse basiert und verständlich macht, warum Menschen laufen oder auch anderen scheinbar sinnlosen Betätigungen nachgehen, die ihnen Freude bereiten. Das letzte Kapitel (Was bedeutet 'Laufglück'?) geht auf das Erklärungsmodell des Flow-Konzeptes und Abrenzungen zum 'Runner's High' ein.
- Als besonders wertvoll erweist sich ein Ganzkörper-Gymnastikprogramm, das wir zunächst über einige Jahre unter Anleitung in einer Sportgruppe und seit mehr als 20 Jahren zu Hause betreiben. Wenn wir nicht auf Reisen sind, praktizieren wir dieses Programm zwar eher lustlos, aber vom Nutzen absolut überzeugt 2-4 Mal pro Woche über 1-1,5 Stunden.
- Unsere Überlegungen zu Einseitigkeit und Vielfältigkeit von Belastungsreizen sind nicht
falsch, aber nur die halbe Wahrheit. Um Veränderungen zu bewirken, müssen
Gleichgewichtszustände gestört werden. Wir übersehen zunächst, dass zwar neue
Bewegungsmuster relativ schnell zu lernen sind und Muskulatur sich schnell anzupassen
vermag, aber Anpassungsprozesse aller anderen orthopädischen Strukturen und der Organe des
Herzkreislaufsystems deutlich langsamer und zeitverzögert verlaufen. Eine dauerhafte
Steigerung von Belastungsreizen in großen Schritten vernachlässigt zwangsläufig ausreichende
Regenerationsphasen, die für erfolgreiche Anpassungsprozesse notwendig sind. Wenn Strukturen
und Organe des Körpers von Belastungsmustern über ein erträgliches Maß hinaus dauernd
gestresst werden, reagieren sie mit Störungen. Diese Problematik begleitet uns über mehrere
Jahre, bis eigene Erfahrung eine bessere Synchronisierung von Körpersignalen und
Trainingsverhalten möglich macht. Der Grat eines Trainings an Grenzen maximaler individueller
Leistungsfähigkeit bleibt jedoch schmal.
Die Ermittlung einer im Training tolerierbaren Reizstärke hinsichtlich Höhe, Dauer und Häufigkeit ist nicht trivial. Praktikable Konzepte nutzen Methoden der Herzfrequenzmessung, Bestzeiten über 1.000 m (oder andere Distanzen) und Bestimmung der anaeroben Schwelle durch Messung von Laktatwerten. Alle Konzepte und Methoden müssen auf individuelle Bedingungen und deren Veränderung durch Trainingsreize angepasst werden. Durch Training ändern sich nicht nur Leistungsparameter, sondern auch Stellgrößen der Trainingsmethodik, so dass diese Größen immer wieder neu zu justieren sind und die Trainingsplanung anzupassen ist. Die Komplexität der Orchestrierung von Reizmustern in Form von Trainingsplänen, mit denen Leistungsziele im Bereich der maximalen individuellen Leistungsgrenze erreicht werden sollen, entzieht sich pauschalen Regeln. Pauschale Trainingspläne sind darum nicht effizient, aber dennoch weit verbreitet. - Auf Langstrecken wird der Leistungszenit statistisch im Alter von 31
Jahren (Frauen) bzw. 34 Jahren (Männer) erreicht. Ab dem Alter von ca.
35 Jahren setzt ein kontinuierlicher altersbedingter Leistungsrückgang
ein, mit dem die Trainierbarkeit abnimmt und der Regenerationsbedarf
zunimmt.
Aus statistischen Daten abgeleitete Alterskorrekturrechner ermöglichen Vergleichbarkeit von Leistungen in verschiedenen Altersklassen. Derartige Algorithmen und Vergleiche sind statistischer Art. Individuelle Abweichungen bleiben unberücksichtigt. - DUV: Alterskorrektur, Greif: Altersleistungs-Rechner
Ihre absolute Marathon-Bestzeit erzielt Gisela im Oktober 1997 beim Köln-Marathon mit 3:21 Std., alterskorrigiert 2:57 Std. - Interview mit Jörg Bunert: Pommes und Bier
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