Auf der Strecke des Halbmarathons |
Zieleinlauf Super-Marathon |
Beim Hamburg-Marathon konnte ich mich am 24.04.1994 in meinem 6. Marathon auf 3:11 Std. verbessern. Über die Marathondistanz hinaus verfüge ich über keine Erfahrungen auf Ultrastrecken. Diese Lücke möchte ich schließen. Begeisterte Berichte von Freunden über den Rennsteiglauf infizieren mich schnell, zumal einige Lauffreunde ebenfalls dort antreten werden. Ein spezielles Ultra-Training habe ich nicht absolviert, trotzdem traue ich mir zu, eine Strecke von 66,5 km mit mehr als 2.000 m Höhendifferenz (Aufstieg + Abstieg) zu bewältigen. Nach 6:12:12 Std. bin ich im Ziel um einige neue, schmerzhafte und schöne Erfahrungen bereichert. Die Zeit reicht für Platz 288 unter 1.441 Finishern.
Anreise
Wir können erst am Freitagmittag von Köln aufbrechen und geraten prompt in schwierige Verkehrsverhältnisse mit großen Baustellen, langen Staus und schlechten Straßenzuständen in Thüringen. Erst am Abend treffen wir beim "Gasthof zum Reifberg" in Stützerbach ein. Wir erfahren, dass wir Heide und Helmut, die ebenfalls hier wohnen und auch die Unterkunft organisiert haben, im "Gasthof Eintracht" antreffen, wo die Vorbesprechung des Allianz Sportvereins Köln stattfindet. Glücklicherweise dürfen wir uns dieser Gruppe anschließen, die uns in ihrer keineswegs trivialen logostischen Organisation einbezieht und auch unserer Startunterlagen besorgt hat. Allzu lang wird der Abend nicht, denn die Läufer des Ultra-Trails müssen um 3:30 Uhr zum Start bei Eisenach aufbrechen. Gisela und Heide nehmen am Halbmarathon ab Oberhof teil und werden später abgeholt.
Race Day
Um kurz nach 2:00 Uhr ist die Nacht zu Ende. Die Wirtsleute haben einen riesigen Berg belegter Brot und Kaffee vorbereitet. Das ist sehr freundlich, aber der Berg ist nicht andeutungsweise zu bewältigen und seine Bewältigung wäre vor dem Lauf auch nicht unbedingt ratsam. Außerdem müssen wir uns zu fünft in einen VW Golf quetschen, was eine schlanke Geschmeidigkeit voraussetzt. Ich bin auf der Hinterbank eingezwängt, auf der sich schon bald höllische Kniebeschwerden einstellen. Um die Fahrt zu überstehen, muss ich mehrere Stopps anfordern, an denen ich mir Bewegung etwas Entlastung beschaffe. Wie ich nach dieser Fahrt noch 66,5 km laufen soll, ist mir ein absolutes Rätsel.
Bereits die Anfahrt zum Start an der "Hohen Sonne" wird zum Abenteuer. Die Straße ist gesperrt. Wir können den Streckenposten dazu überreden, uns durchzulassen, "aber nur, um Läufer an den Start zu bringen, Parken ist nicht erlaubt!" Danke, o.k., gehört und verstanden, aber dann doch geparkt, denn die Zeit drängt inzwischen.
Auf der Strecke
(Im Post über den Rennsteiglauf des Jahres 1999 ist die Strecke ausführlich beschrieben (Rennsteiglauf 1999), weshalb sich dieser Post auf emotionale Höhepunkte beschränkt.)
Das Streckenprofil habe ich mir selbstverständlich genau angeschaut und gut eingeprägt. Ich weiß daher, dass es von Beginn an zur Sache geht, weil der "Große Inselsberg" im Weg steht. So hart habe ich mir die Anstiege jedoch nicht vorgestellt. Nach knapp 18 km ist der Gipfel erreicht. Ich bin erleichtert, bis hier relativ locker geblieben zu sein. Aber etwa 49 km und damit mehr als ein Marathon liegen noch vor mir.
Als Marathonläufer habe ich mir einen möglichst gleichmäßigen Laufrhythmus antrainiert, der jedoch auf dieser Strecke nicht möglich ist. Der Wechsel des ständigen Auf- und Ab mit kürzeren und längeren Passagen lässt keinen gleichmäßigen Laufrhythmus zu. Ich ahne bereits, dass diese Erkenntnis auf der Strecke nicht ohne Folgen bleiben wird. Vorerst läuft es jedoch recht gut. Mein Tempo empfinde ich als komfortabel. Wenn ich dieses Tempo halten kann, winkt eine Endzeit unter 6 Stunden. Für mich wäre das eine Traumzeit, aber Zeit zum Träumen habe ich jetzt nicht. Ich verdränge den Gedanken an eine Endzeit und will ihn erst wieder zulassen, wenn Oberhof passiert ist.
An der Verpflegungsstelle "Ebertswiese" entfaltet der Rennsteiglauf nach 30 km seinen besonderen Charme, dessen Eindrücke in der Erinnerung exemplarisch für den Rennsteiglauf stehen. Die Stimmung romantischer Verzückung ist jedoch an den nächsten Hammeransteigen schnell beendet. Bis zur Marathondistanz habe ich den Lauf unter Kontrolle. Aber dahinter betrete ich jetzt unbekanntes Terrain, von dem ich nicht weiß, welche Überraschungen es für mich vorhält. Ich will jetzt nur bis Oberhof denken. Bis zum "Grenzadler" sind es 48 km. Obwohl der Streckenabschnitt zwischen den "Neuhöfer Wiesen" und dem "Grenzadler" zu den weniger anspruchsvollen Abschnitten zählt, merke ich, wie die Beine immer schwerer werden. Jetzt wird es Zeit für eine Pinkelpause.
Das Anlaufen nach der kurzen Unterbrechung fällt schwer. Jetzt muss ich erst einmal ein neues Tempo finden, das deutlich über dem alten Tempo liegt. Um wieviel, ist wegen der profilierten Strecke und der ungenauen Kilometermarken schwer abzuschätzen. Bis zum "Grenzadler" bin ich noch immer zuversichtlich, bemerke aber auch, dass mir die Steigungen immer schwerer fallen. Am Anstieg zur Suhler Ausspanne hat der Scharfrichter den Stecker aus meiner Energiequelle gezogen. Auf Gefällstrecken kann ich gerade noch traben. Der Anstieg zum "Großen Beerberg" erlaubt nur das Gehen. 12 km liegen noch vor mir, die verdammt lang werden können. Überwiegend geht es jedoch bergab, was mir das Anlaufen erleichtert.
Im Wechsel zwischen Gehen und Laufen werden die Laufabschnitte allmählich länger, und ab der "Schmücke" läuft es sogar wieder etwas runder. Die Überwindung der Krise ist eine völlig neue Erfahrung, die mir wie ein Wunder erscheint. Wo kommt jetzt die Energie her, nachdem ich mich bereits am Ende meiner Kräfte wähnte? Je näher ich dem Ziel komme, desto besser geht es mir. Entsprechend nimmt auch mein Tempo zu, was mich jetzt viele Läufer überholen lässt, die mich vor längerer Zeit überholt haben. In der Ferne vernehme ich bereits die Geräuschkulisse aus dem Zielbereich. Jetzt kann ich mit gutem Gewissen die letzten Körner verbrennen und spurte dem Ziel entgegen.
Im vorelektronischen Zeitalter wird die Zeit noch nicht mittels Transponder und Sensormatten gemessen. Daher gibt es auch keine Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettozeiten. Die Läufer tragen an einem Halsband eine Art Lochkarte, die zum Abtasten in ein Lesegerät geschoben wird. Mit dieser fummeligen Einrichtung verliere noch etwas Zeit und werde am Ende mit 6:12:12 Std. registriert. Damit kann ich mich anfreunden. Aber wo ist Gisela? Ich habe gedacht, dass sie mich im Ziel erwartet. So war es zumindest abgesprochen. Im Zielbereich treffe ich Torsten, Heide und Helmuts Sohn. Als sehr starker Läufer war er bereits fast eine Stunde vor mir nach 5:16 Std. im Ziel. Gisela und Heide hat er auch nicht gesehen.
Gisela und Heide treffen gemeinsam eine Stunde nach mir im Zielgelände ein. Nach dem Halbmarathon von Oberhof nach Schmiedefeld haben die beiden sich nach Stützerbach in die Pension zurückgezogen, Kaffee mit Kuchen und auch ein Mittagsschläfchen gegönnt. Auf dem Weg nach Schmiedefeld sind sie dann wegen der Laufveranstaltung von Straßensperren aufgehalten worden. Außerdem konnten sie ja nicht wissen, dass ich so früh im Ziel bin, erklären sie mit einem leichten Vorwurf in der Stimme. O.k., mein Fehler, Mädels, ihr habt wieder alles richtig gemacht. Dumm von mir, so schnell zu sein.
Gemeinsam warten wir jetzt auf Helmut, der noch auf der Strecke ist. Bereits mehr als 8 Stunden sind seit dem Start vergangen. Heide macht sich inzwischen Sorgen. Helmuts Trainingsgrundlagen sind nämlich eher dünn. Als Begründung verweist Helmut auf Achillessehnenbeschwerden, die seine Vorbereitung behinderten. Aber auch ohne Beschwerden fällt Helmut nicht durch Trainingsfleiß auf. Wie auch immer, wir verteilen uns auf dem letzten Kilometer, um Helmuts Ankunft nicht zu verpassen. Heide beauftragt Torsten, Helmut entgegen zu laufen. Dann sehen wir ihn endlich kommen. Große Erleichterung erfasst uns. Nach 8:56 Std. ist Helmut im Ziel.
Bei der Nachbesprechung im Festzelt erfahren wir, dass Helmut gegen Ende noch an der Verpflegungsstelle "Alte Tränke" (als "Bierfleck" bezeichnet) eine kleine Einkehr wahrgenommen hat. Nur dank Köstritzer Schwarzbier habe er noch die letzten Kilometer durchgehalten. Jetzt ist seine Beinmuskulatur derart verhärtet, dass ihm das Umziehen nur mit unserer Hilfe gelingt. Helden helfen wir gerne. Herzlichen Glückwunsch!
Bei der Nachbesprechung im Festzelt erfahren wir, dass Helmut gegen Ende noch an der Verpflegungsstelle "Alte Tränke" (als "Bierfleck" bezeichnet) eine kleine Einkehr wahrgenommen hat. Nur dank Köstritzer Schwarzbier habe er noch die letzten Kilometer durchgehalten. Jetzt ist seine Beinmuskulatur derart verhärtet, dass ihm das Umziehen nur mit unserer Hilfe gelingt. Helden helfen wir gerne. Herzlichen Glückwunsch!
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