Samstag, 12. Oktober 1996

Brocken-Marathon im Rahmen des Harz-Gebirgslaufs (ein echter Brocken!), 12.10.1996

Zieleinlauf beim Brocken-Marathon
Start des Brocken-Marathons
Nach 10 absolvierten Marathonläufen (+2 Ultras) zeichnet sich immer deutlicher ab, dass ein Unterbieten der persönlichen Traummarke von 3 Stunden auf der Marathondistanz anlage- und altersbedingt nur möglich ist, wenn perfekte Vorbereitung und optimale Bedingungen zusammentreffen. Bisher hat jedoch immer irgendetwas gefehlt. Die Zeit für schnelle Zeiten läuft ohnehin allmählich ab. Klüger ist daher, das 3-Stunden-Ziel aufzugeben. Neue Herausforderungen bieten Landschafts- und Ultraläufe. 2 Teilnahmen auf dem 'langen Kanten' des Rennsteiglaufs (1) zeigen Perspektiven auf. Der Harz-Gebirgslauf bietet die Option eines Marathons über den 1.142 m hohen Brocken. Hier kann ich nach seriöser Vorbereitung meine Berglauf-Qualitäten erproben. Trotz mehr als 1.000 m Höhenunterschied möchte ich eine Endzeit unter 4 Stunden erreichen. Diashow der Fotoserie




Die Reise zum Harz-Gebirgslauf verbinden wir mit einigen Tagen Aufenthalt in Wernigerode, wo wir in der idyllisch gelegenen Pension Schweizer Hof wohnen. Anne begleitet uns. Sie wird gemeinsam mit Gisela auf der 11 km-Strecke des Harz-Gebirgslaufs starten.
Einige Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung bestehen in Wernigerode viele Baustellen, aber deutlich zeichnet sich ab, dass der Ort bald als 'Schmuckkästchen' gelten wird. An den Tagen vor und nach dem Harz-Gebirgslauf unternehmen wir Wanderungen in der näheren Umgebung. In den Orten um Wernigerode liegt noch vieles im Argen und der Brockengipfel enttäuscht unsere Erwartungen. Das Brockenplateau war bis zur Wende als militärisches Sperrgebiet öffentlich nicht zugänglich. Die Militäranlagen sind zwar inzwischen abgebaut, aber einen vergleichsweise trostlosen Berggipfel haben wir bisher nicht angetroffen.


Waldemar Cierpinski
Vor dem Start
Vor dem Start

anne im Ziel
Annes Zieleinlauf
Start und Ziel aller Läufe liegen am Rand des Ortsteils Hasserode. Im Start-/Zielraum treffen wir auf Waldemar Cierpinski. Als Doppel-Olympiasieger des Marathonlaufs (1976/1980) ist Waldemar eine deutsche Lauflegende und wird hier natürlich hofiert. Waldemar betreibt ein Sportgeschäft in Halle und vertreibt Sportbekleidung auf der Laufveranstaltung. Ehrensache für mich, bei Waldemar 2 Teile einzukaufen.

Vor allen anderen Läufen des Harz-Gebirgslauf startet der Marathon. Anne und Gisela treten etwas später an und können daher den Marathonstart beobachten. Später wird Gisela vor Anne im Ziel sein und kann Annes Zieleinlauf fotografieren. Anschließend warten sie gemeinsam auf die Marathon-Finsher und insbesondere auf meinen Einlauf.




Streckenprofil des Brocken-Marathons

Marathonstrecke des Brocken-Marathons
Die ersten 8 km verlaufen relativ flach durch das schöne Ilsetal, jedoch längst nicht so flach, wie ich das erwartet habe. Meine Tempovorstellung von 4:30 min/km erweist sich bald als Illusion. Bei diesem Tempo würde ich auf dem Anstieg zum Brocken 'explodieren'. Nach vielversprechenden Test-Wettkämpfen in den vorausgegangen Wochen fällt meine Formkurve inzwischen offensichtlich ab. Ich muss meine Taktik ändern, um den Lauf zu finishen. Zeitvorstellungen sind suspendiert. Ich laufe nur noch nach Gefühl.
Nach ca. 8 km beginnt der Anstieg auf den Brocken. Auf einer Distanz von 10 km sind etwa 900 m Höhendifferenz zu bewältigen. Der steile Anstieg fällt mir extrem schwer. An den steilsten Rampen ziehe ich das Gehen vor. Die wenigen flacheren Abschnitte sind zu kurz, um neue Kräfte sammeln zu können. Am Gipfel sind 2 Stunden Laufzeit deutlich überschritten, und ca. 24 km liegen noch vor mir. Eine Endzeit unter 4 Stunden ist mir nun völlig egal. Ich will nur noch finishen. Den Gedanken an einen Ausstieg lasse ich nicht zu, schließlich werde ich im Ziel erwartet.


Zieleinlauf mit 3:59:52
Der Abstieg vom Brocken verteilt sich über mehr als 20 km und fällt daher deutlich weniger steil aus als der Anstieg. Hier kann man die Beine laufen lassen. Allmählich kehrt das Leben und mit ihm der Kampfgeist zurück. Ich schaue nicht auf die Uhr, sondern konzentriere mich darauf, vor mir liegende Läufer zu überholen. Je mehr Läufer ich versenke, desto besser geht es mir. Mehrere kurze Gegenanstiege schmerzen zwar, aber ich verkrafte sie deutlich besser als alle anderen Läufer in meinem Dunstkreis.
Erst auf den letzten Kilometern beginne ich zu rechnen. Mit einem Tempo von ca. 4:15 min/km könnte ich noch an der 4-Stundenmarke kratzen. Der Gedanke ist verwegen, aber ich will es versuchen und knalle hart bergab. Den Luxus von Getränkeaufnahmen kann ich mir jetzt nicht mehr leisten. Das Ziel taucht auf. Die erste Ziffer der Uhr zeigt noch eine '3'. Mit den letzten Körnern ziehe ich noch einen Spurt und gehe mit 3:59:52 Std. über die Ziellinie. Geschafft! Dann geht nichts mehr. Der Kreislauf spielt verrückt. Ich sacke zusammen.







Das verdiente Bier nach dem Lauf
Erholung im Sanitätszelt
2 Sanitäter begleiten mich in das Zelt der medizinischen Versorgung. Nach ein paar Minuten Ruhe und einigen Bechern Tee benötige ich keine weitere medizinische Betreuung und verlasse das Zelt. Bald schmecken auch 'Hasseröder Pils' und Erbsensuppe. Am Abend feiern wir natürlich unseren Erfolg in Wernigerode. Dank intensiver Lauferlebnisse werden wir Veranstaltung und Ort niemals vergessen!


Anmerkungen


(1) Post des Rennsteiglaufs vom 28.05.1994 und vom 18.05.1996

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