Zugegeben, als London- und Großbritannien-Fans sind wir keine neutralen Beobachter, wenn wir in unserer persönlichen Rangliste der Mega-Veranstaltungen den London-Marathon vor Chicago, New York und Berlin führen. Hierbei interessieren uns nicht die Geldsummen, über die die Veranstalter offensichtlich verfügen, um ein unvergleichbares Elitefeld einzukaufen. Es ist die Kombination von Londoner Flair, enthusiastischem Publikum und perfekter Organisation, die uns fasziniert. Die Veranstaltungen von Köln und Hamburg sind dagegen eher ein größeres „Dorffest“!
Teilnahmebedingungen des London Marathons
40.000 Registrierungen und etwa 35.000 Finisher hat der London Marathon in diesem Jahr. Allerdings gibt es alljährlich ca. 100.000 Interessenten! Individuelle Meldungen sind zwar möglich, die Startberechtigungen werden aber in einem Losverfahren vergeben. Um sich einen Startplatz (zu hohen Gebühren!) zu sichern, führt für ausländische Teilnehmer kein Weg an einer Reiseagentur mit Startnummernkontingenten vorbei. Innerhalb von Großbritannien werden viele Start- plätze von sozialen Interessenverbänden und Wohltätigkeitsorganisationen gekauft, um die Startberechtigung gegen eine großzügige Spende an Läufer weiterzugeben. Daher sieht man einen großen Teil der Läufer für Organisationen laufen, die den Kampf für oder gegen ein allgemeines Problem aufgenommen haben: Für sauberes Wasser, gegen Brustkrebs, Herzinfarkt, Prostatakrebs, Leukämie, Diabetes, Parkinson, Alzheimer, Asthma, zum Schutz der Nashörner, der Gorillas, von Hunden oder auch Kindern. Auffällig ist die Kuriosität vieler Kostüme, mit denen die Teilnehmer das Glück einer Startberechtigung feiern oder sich auch von der Masse abzusetzen versuchen.
Die Motivation
Nach einer Knieoperation in Folge eines Bergunfalls ist der London-Marathon für Karlheinz die Motivationshilfe für einen langfristigen Trainingsaufbau zurück zum Marathon. Allerdings haben Rückschläge in der Aufbauphase keine reguläre Vorbereitung zugelassen. Die letzten längeren Läufe provozieren neue Beschwerden, so dass der Start bis zuletzt frag- lich bleibt. Gisela ist vor 2005 noch nicht in London gelaufen, so dass es keiner Überredung bedurfte, um sie trotz der nicht stressfreien Terminsituation als Begleitung und Unterstützung zu gewinnen. Aufgrund ihrer beruflichen Situation als Lehrerin ist die Anreise erst am Freitag Abend möglich, und die Rückreise muss am Sonntag Abend stattfinden, um am Montag Morgen die Abituraufgaben zu verteilen.
Freitag: Anreise
Pünktlich um 18:20 Uhr startet der Flieger in Köln, und dank Umstellung auf WEZ landen wir bereits um 18:30 Uhr in Gatwick. Der Gatwick-Express bringt uns in 30 Minuten nonstop zur Victoria Station, und um 20:00 Uhr checken wir in unserem Hotel am Hyde Park ein. Wir stellen nur unser Gepäck im Zimmer ab und eilen dann zu unserem bevorzugten Italiener „Le Palme D´jan“ in der Wilton Road. Das Restaurant hebt sich angenehm von Kettenrestaurants ab und bleibt mit den Preisen auf dem Teppich. Entsprechend ist es stets gut besucht, aber wir haben Glück und bekommen den letzten freien Tisch. So, nun können wir endlich entspannt zurücklehnen und uns dem Angebot der Karte widmen. 2 x Bruschetta, nicht billig, aber gut, Thunfisch für Gisela, Schwertfisch für Karlheinz, beides für 13 bzw. 14 GBP moderat kalkuliert, dazu eine Flasche des guten weißen Housewines, der für Londoner Verhältnisse zu einem attraktiven Preis angeboten wird. Das London-Wochenende beginnt gut!
Samstag: Der Tag vor dem Lauf
Kurz nach 7:00 Uhr traben wir eine Runde im Hyde Park. Ein letzter Test soll Karlheinz Aufschluss darüber geben, ob nach den Kniebeschwerden der vergangenen Tage morgen der Start sinnvoll erscheint. Das Knie zwickt nur noch wenig, also wird morgen gestartet. Bis zur Tower Bridge bei Km 20 sollte es schon gehen. Von dort käme man mit der Underground schnell zurück zum Zielbereich.
Nach dem Frühstück im Hotel steht erst einmal eine kleine Reise bis zum Messegelände in den Docklands an, um die Startunterlagen abzuholen. Da das Wetter schön ist, beschließen wir, zunächst bis zur Haltestelle Westminster zu spa- zieren. Der Weg führt am Buckingham Palast vorbei mit dem Zielbereich auf der Mall, wo die Vorbereitungen für den Lauf geschäftiges Treiben ausgelöst haben. Weiter durchqueren wir den St. Jamies Park und gehen jetzt ein Stück der Laufstrecke ab, das zu den Highlights zählt mit Westminster Abbey, Westminster Hall und Big Ben. Nun geht es aber erst einmal in den Untergrund. Wir lösen ein Tagesticket und machen uns auf den Weg zum Messegelände.
Bei der Registrierung könnte es noch einmal aufregend werden, weil Karlheinz seine Registrierungsunterlagen nicht vorab erhalten hat und auf keinem anderen Weg eine Konfirmierung der Meldung zu erhalten war. Für „Overseas“ gibt es ein eigenes Registrierungs-Desk, bei dem wenig Andrang ist. Ausweis vorgelegt, Sprüchlein aufgesagt, und alle Probleme lösen sich sofort auf. Die Startunterlagen werden ausgehändigt, weiter zur Chip-Registrierung und zur Ausgabe der Kleiderbeutel. Nachdem auch das erledigt ist, folgt noch ein Rundgang durch die Expo, ehe wir die Rückfahrt antreten.
Ein Tagesticket muss man natürlich ausnutzen, zumal auch das sonnige Wetter dazu einlädt. Daher unterbrechen wir die Rückfahrt in Greenwich und fahren mit dem Bus in die Innenstadt. Auch hier sind bereits die Marathonvorbereitungen in vollem Gange. Wir gehen durch den von uns geliebten Greenwich Park, in dem morgen der Start sein wird, bis zu dem Teahouse neben dem Observatorium und legen dort erst einmal eine Pause ein mit Coffee und Cake.
Die nächste Etappe führt uns bis zum Burough Market an der London Bridge. Diesen grandiosen Lebensmittel- und Spezialitätenmarkt versäumen wir in London nie, und gerne lassen wir uns wieder an einer kleinen Garküche von den Scallops (Jakobsmuscheln) verführen. Nun haben wir erst einmal Durst, da kommt der historische Ancor Pub mit seiner Terrasse an der Themse gerade richtig. Wir teilen uns ein Pint, ehe wir weiter den südlichen Themseweg bis zur Modern Tate Galery gehen. Heute reicht die Zeit aber nur für einen kurzen Blick in das Gebäude und den Besuch der Toilette. Als wir auf der Southwark Street einbiegen, nähert sich bereits unser Bus, den wir mit einem kurzen Sprint auch noch erreichen. Wir fahren bis zur Endhaltstelle Covent Garden. Hier schlägt das touristische Herz Londons. Uns ist es zu voll. Wir flüchten über den Leicester Square in die Tube (U-Bahn) und fahren zurück Richtung Hotel. Da wir heute nicht mehr essen gehen wollen, kaufen wir in einem Supermarkt unseren Abendimbiss: Salate, Brot, Käse.
Im Hotelzimmer sortieren wir unsere Sachen für morgen. Während wir unseren Imbiss einnehmen, stimmt uns ein Bericht der BBC über 25 Jahre London-Marathon auf die Veranstaltung ein. Obwohl wir morgen ziemlich früh aufstehen müssen, sind wir zum Schlafen noch zu aufgedreht. Wir erinnern uns, dass sich unmittelbar gegenüber vom Hotel ein Pub mit dem Namen Gloucester befindet. Ein Pint of Bitter „John Smith“ sorgt für die nötige Ruhe und Bettschwere.
Nach dem Frühstück im Hotel steht erst einmal eine kleine Reise bis zum Messegelände in den Docklands an, um die Startunterlagen abzuholen. Da das Wetter schön ist, beschließen wir, zunächst bis zur Haltestelle Westminster zu spa- zieren. Der Weg führt am Buckingham Palast vorbei mit dem Zielbereich auf der Mall, wo die Vorbereitungen für den Lauf geschäftiges Treiben ausgelöst haben. Weiter durchqueren wir den St. Jamies Park und gehen jetzt ein Stück der Laufstrecke ab, das zu den Highlights zählt mit Westminster Abbey, Westminster Hall und Big Ben. Nun geht es aber erst einmal in den Untergrund. Wir lösen ein Tagesticket und machen uns auf den Weg zum Messegelände.
Bei der Registrierung könnte es noch einmal aufregend werden, weil Karlheinz seine Registrierungsunterlagen nicht vorab erhalten hat und auf keinem anderen Weg eine Konfirmierung der Meldung zu erhalten war. Für „Overseas“ gibt es ein eigenes Registrierungs-Desk, bei dem wenig Andrang ist. Ausweis vorgelegt, Sprüchlein aufgesagt, und alle Probleme lösen sich sofort auf. Die Startunterlagen werden ausgehändigt, weiter zur Chip-Registrierung und zur Ausgabe der Kleiderbeutel. Nachdem auch das erledigt ist, folgt noch ein Rundgang durch die Expo, ehe wir die Rückfahrt antreten.
Ein Tagesticket muss man natürlich ausnutzen, zumal auch das sonnige Wetter dazu einlädt. Daher unterbrechen wir die Rückfahrt in Greenwich und fahren mit dem Bus in die Innenstadt. Auch hier sind bereits die Marathonvorbereitungen in vollem Gange. Wir gehen durch den von uns geliebten Greenwich Park, in dem morgen der Start sein wird, bis zu dem Teahouse neben dem Observatorium und legen dort erst einmal eine Pause ein mit Coffee und Cake.
Die nächste Etappe führt uns bis zum Burough Market an der London Bridge. Diesen grandiosen Lebensmittel- und Spezialitätenmarkt versäumen wir in London nie, und gerne lassen wir uns wieder an einer kleinen Garküche von den Scallops (Jakobsmuscheln) verführen. Nun haben wir erst einmal Durst, da kommt der historische Ancor Pub mit seiner Terrasse an der Themse gerade richtig. Wir teilen uns ein Pint, ehe wir weiter den südlichen Themseweg bis zur Modern Tate Galery gehen. Heute reicht die Zeit aber nur für einen kurzen Blick in das Gebäude und den Besuch der Toilette. Als wir auf der Southwark Street einbiegen, nähert sich bereits unser Bus, den wir mit einem kurzen Sprint auch noch erreichen. Wir fahren bis zur Endhaltstelle Covent Garden. Hier schlägt das touristische Herz Londons. Uns ist es zu voll. Wir flüchten über den Leicester Square in die Tube (U-Bahn) und fahren zurück Richtung Hotel. Da wir heute nicht mehr essen gehen wollen, kaufen wir in einem Supermarkt unseren Abendimbiss: Salate, Brot, Käse.
Im Hotelzimmer sortieren wir unsere Sachen für morgen. Während wir unseren Imbiss einnehmen, stimmt uns ein Bericht der BBC über 25 Jahre London-Marathon auf die Veranstaltung ein. Obwohl wir morgen ziemlich früh aufstehen müssen, sind wir zum Schlafen noch zu aufgedreht. Wir erinnern uns, dass sich unmittelbar gegenüber vom Hotel ein Pub mit dem Namen Gloucester befindet. Ein Pint of Bitter „John Smith“ sorgt für die nötige Ruhe und Bettschwere.
Sonntag: Race Day
Frühstück gibt es heute ausnahmsweise ab 6:00 Uhr. Das ist auch gut so, denn um 7:15 Uhr holt uns der Bus für den Transfer zum Start ab. Vorher müssen wir auch noch packen und auschecken. Wie immer gibt es Penner, die es nicht schaffen, pünktlich zu sein. So fahren wir mit kleiner Verzögerung nach Greenwich, wo wir gegen 8:00 Uhr eintreffen. Das Wetter ist perfekt. Im Moment ist es noch etwas frisch, aber es soll sonnig bleiben und warm werden, worauf wir aufgrund der Wetterprognosen mit unserer Bekleidung gar nicht eingestellt sind. „This day is gonna be a fine day“, prophezeit der Busfahrer und meint damit das Wetter. Er sollte in jeder Beziehung Recht behalten.
Wir werden im roten Block starten, in dessen Richtung wir uns mit unserer Gruppe bewegen. Treffpunkt ist ein kleiner Pavillion auf einer großen Wiese im Greenwich Park. In der Nähe des Pavillons gibt es ein paar Zelte, in denen Refreshments angeboten werden. Wir breiten unsere Warmup-Beutel auf dem Rasen aus, genießen die wärmende Sonne und warten dem Start um 9:45 Uhr entgegen. Wie mag es hier wohl bei weniger gutem Wetter zugehen?
Etwa ab 9:00 Uhr wird es unruhiger, weil jetzt die unmittelbaren Startvorbereitungen begonnen werden: Umkleiden, eincremen, Utensilien für Unterwegs einpacken, Sachen im Kitbag (Kleiderbeutel) verstauen. Die schnellen Hirsche erkennt man jetzt an luftiger Bekleidung und Rennpantoffeln. Von dem Start der Elitefrauen um 9:00 Uhr im roten Block bekommen wir nichts mit. Wir haben jetzt auch genug mit uns zu tun. Die Schlangen vor den Toilettenhäuschen wachsen zu beängstigender Länge. Die Männer haben es dank einer langen Pinkelrinne für das „kleine Geschäft“ einfach. Die Rinne steht zwar im freien Gelände, aber im Unterschied zu New York gibt es Deckung mittels einer gelb-weißen Stoffwand.
Die optimistische Zeitangabe bei der Meldung verschafft uns jetzt einen Platz relativ weit vorne im Startblock. Das ist für uns ein Vorteil, weil wir mit einer längeren Laufzeit rechnen müssen und unseren Rückflug nicht verpassen dürfen. Andererseits ist der Platz nicht ganz ungefährlich, weil man entweder zu einem zu hohen Anfangstempo verführt oder von dem Feld überrollt wird. Wenige Minuten vor dem Start werden die Absperrungen zwischen den Sektoren aufgehoben, und das Feld rückt auf. Wir stehen jetzt bereits außerhalb der Parkmauer und sehen etwa 50 Meter vor uns das Startbanner. Über uns kreisen mehrere Hubschrauber für die Übertragung der Fernsehbilder. Unser Adrenalinspiegel wird musikalisch mit „The Final Countdown“ noch einmal erhöht. Dann kehrt plötzlich Ruhe ein, ehe der Start pünktlich um 9.45 Uhr freigegeben wird. Ein akustisches Signal haben wir nicht gehört, sehen aber viele Luftballons aufsteigen. Wir setzen uns in Bewegung und erreichen langsam gehend nach knapp 2 Minuten die Startlinie mit den Zeitmatten. Unter dem hundertfachen akustischen Signal der Chipmessung starten wir unsere Stoppuhr und nehmen Fahrt auf. Das Abenteuer kann beginnen.
Wir werden im roten Block starten, in dessen Richtung wir uns mit unserer Gruppe bewegen. Treffpunkt ist ein kleiner Pavillion auf einer großen Wiese im Greenwich Park. In der Nähe des Pavillons gibt es ein paar Zelte, in denen Refreshments angeboten werden. Wir breiten unsere Warmup-Beutel auf dem Rasen aus, genießen die wärmende Sonne und warten dem Start um 9:45 Uhr entgegen. Wie mag es hier wohl bei weniger gutem Wetter zugehen?
Etwa ab 9:00 Uhr wird es unruhiger, weil jetzt die unmittelbaren Startvorbereitungen begonnen werden: Umkleiden, eincremen, Utensilien für Unterwegs einpacken, Sachen im Kitbag (Kleiderbeutel) verstauen. Die schnellen Hirsche erkennt man jetzt an luftiger Bekleidung und Rennpantoffeln. Von dem Start der Elitefrauen um 9:00 Uhr im roten Block bekommen wir nichts mit. Wir haben jetzt auch genug mit uns zu tun. Die Schlangen vor den Toilettenhäuschen wachsen zu beängstigender Länge. Die Männer haben es dank einer langen Pinkelrinne für das „kleine Geschäft“ einfach. Die Rinne steht zwar im freien Gelände, aber im Unterschied zu New York gibt es Deckung mittels einer gelb-weißen Stoffwand.
Die optimistische Zeitangabe bei der Meldung verschafft uns jetzt einen Platz relativ weit vorne im Startblock. Das ist für uns ein Vorteil, weil wir mit einer längeren Laufzeit rechnen müssen und unseren Rückflug nicht verpassen dürfen. Andererseits ist der Platz nicht ganz ungefährlich, weil man entweder zu einem zu hohen Anfangstempo verführt oder von dem Feld überrollt wird. Wenige Minuten vor dem Start werden die Absperrungen zwischen den Sektoren aufgehoben, und das Feld rückt auf. Wir stehen jetzt bereits außerhalb der Parkmauer und sehen etwa 50 Meter vor uns das Startbanner. Über uns kreisen mehrere Hubschrauber für die Übertragung der Fernsehbilder. Unser Adrenalinspiegel wird musikalisch mit „The Final Countdown“ noch einmal erhöht. Dann kehrt plötzlich Ruhe ein, ehe der Start pünktlich um 9.45 Uhr freigegeben wird. Ein akustisches Signal haben wir nicht gehört, sehen aber viele Luftballons aufsteigen. Wir setzen uns in Bewegung und erreichen langsam gehend nach knapp 2 Minuten die Startlinie mit den Zeitmatten. Unter dem hundertfachen akustischen Signal der Chipmessung starten wir unsere Stoppuhr und nehmen Fahrt auf. Das Abenteuer kann beginnen.
Auf der Strecke
In einem großen Bogen geht es auf welliger Strecke mit leichtem Gefälle zunächst Richtung Greenwich. Wir versuchen unser Tempo zu finden, das bei etwa 6:30 Min/km liegen soll. Obwohl nur alle 5 Km die zurückgelegte Distanz in Kilo- metern ausgewiesen wird, stellen wir schnell fest, dass wir schneller sind als geplant. Trotzdem werden wir ständig überholt. Den ersten Split von 5 km machen wir in 30 Minuten. Für Gisela kein Problem, aber Karlheinz muss sich etwas bremsen, damit er später nicht einbricht. Das lädierte Knie verhält sich unauffällig, das Körpergefühl ist gut, das Wetter ist prächtig, die Stimmung tendiert zur Euphorie. Die gestern noch erwogene Möglichkeit eines Ausstiegs an der Tower Bridge erscheint heute als eine absurde Idee, die nur in einer Krisensituationen entsteht. Von Krise gibt es keine Spur!
Nach einigen Meilen werden die Läuferschlangen der drei Startblocks zu einem dichten Feld verschmolzen. Die Läufer der unterschiedlichen Blöcke begrüßen sich mit einem vielstimmigen „Buuuuuuh“, denn jetzt wird es wirklich sehr eng.
Greenwich ist ein wahrer „Gänsehaut-Abschnitt“. Wo kommen nur die vielen Menschen her, die dicht an dicht an der Strecke stehen, uns applaudieren, zujubeln und aufmuntern. Etwa bei Kilometer 10 umrunden wir das alte Segelschiff „Cutty Sark“, ehemals ein Teeschoner, heute ein Museum und eines der Wahrzeichen des London-Marathons. Hier erreicht die Stimmung einen kaum zu überbietenden Höhepunkt. Aber uns drängt es weiter durch Londoner Vororte südlich der Themse. Auch hier viel Stimmung an der Strecke mit Lifemusik oder Musik aus der Konserve. Die Meilen fliegen geradezu vorbei. Gisela sogt sich um unser Tempo, weil wir noch immer eigentlich zu schnell sind. Aber was soll´s, die zweite Hälfte wird sowie schwer, denn die hat Karlheinz wenig trainieren können.
Getränke gibt es spätestens nach jeder Meile. Gisela besorgt abwechselnd Mineralwasser oder Elektrolyte. Beide Getränke werden in handlichen Behältern angereicht, die man aufnehmen kann, ohne abzubremsen. Offiziell gibt es keine feste Verpflegung, aber dank privater Initiativen werden auch immer wieder Orangenscheiben und Bananenstückchen angeboten.
Bei Kilometer 20 kommt mit der Tower Bridge der nächste „Gänsehaut-Abschnitt“. Hier überquert die Läuferschlange die Themse. Das dicht gedrängte Publikum gibt alles. Da können sich auch die Läufer nicht zurückhalten. Ein spürbarer Ruck nach vorne geht durch das Feld. Die werden sich gleich wieder beruhigen, sagen wir uns und versuchen, uns nicht anstecken zu lassen.
Am Tower geht es zunächst rechts ab und auf einer großen Schleife durch das Finanzdistrikt und die Docklands zurück stadtauswärts bis auf die Höhe von Greenwich, ehe es wieder in Richtung Ziel geht. Auf den beiden ersten Kilometern kommen uns aus der Gegenrichtung auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite die schnellen Läufer mit großem Vorsprung entgegen. Sie nähern sich bereits Meile 22, während wir jetzt gerade kurz nach Meile 13 die Halbmarathonmarke in 2:13:44 passieren. Inzwischen macht sich doch so langsam die fehlende Trainingsgrundlage bemerkbar. Wir redu- zieren das Tempo um einen Gang, und ab Km 25 gibt es nun alle 5 km ein Powergel. Die 5 km Splits liegen nun um 34 Minuten, immer noch schnell genug, um locker unter 5 Stunden zu bleiben.
Selbst auf der Schleife stadtauswärts stehen die Zuschauer und Supporter sehr dicht, jedenfalls deutlich mehr als es in der Erinnerung von 1999 war. Trotzdem zieht sich die Schleife, aber irgendwann erreichen auch wir wieder die Gegen- verkehrstrecke. Dort sind immer noch vereinzelte Läufer unterwegs, von denen jetzt vielleicht wir bewundert werden.
In der aktuellen Streckenführung laufen wir jetzt leider nicht mehr unter der Tower Bridge hindurch und über das Kopfsteinpflaster des Towergeländes. Wir bedauern das, obwohl uns das Kopfsteinpflaster erspart bleibt. Zunächst geht es durch die Stadt über Tower Street und Cannon Street, ehe die Strecke etwa 2 Meilen vor dem Ziel wieder am nördlichen Themse-ufer entlang führt. Auf der anderen Seite der Themse ist schon das Riesenrad „London´s Eye“ zu sehen, und kurz darauf können wir auch „Big Ben“ auszumachen. Der Rest ist jetzt reiner Genuss für uns. Nicht allen scheint es so gut zu gehen, denn wir befinden uns bereits seit längerer Zeit auf der Überholspur. Fast könnte man glauben, in eine Massenwanderung geraten zu sein. Im Slalom arbeiten wir uns durch das gehende Feld und ignorieren die letzten Verpflegungsstellen.
In Höhe der Westminster Bridge biegen wir ab Richtung St. Jamies Park, an dessen linker Seite wir entlang laufen, gesäumt von einem dichten Spalier uns anfeuernder Menschen. Am Ende des Parks geht es in einer weiten Rechtskurve am Queen Victoria Memorial vorbei in die Mall. Noch 200 m bis zum Ziel. Noch einmal Gänsehaut pur. Auf diesen letzten Abschnitt haben wir uns schon lange gefreut. Jetzt haben wir ihn unter den Füßen. Ob die Queen uns aus dem Buckingham Palast zuschaut? Wahrscheinlich zieht sie andere Beschäftigungen vor. Das ist uns jetzt auch nicht wichtig. Jubelnd laufen wir durch das Ziel und beglückwünschen uns gegenseitig. 4:36:03 ist die Endzeit mit einer Platzierung im Mittelfeld. Vor zwei Jahren hätten wir uns für diese Zeit geschämt. Jetzt sind wir glücklich! What a great day!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen