Samstag, 17. Mai 2014

Rennsteiglauf 2014 - Wir sind wieder da!

Nach 11-jähriger Unterbrechung kehren wir zurück zum GutsMuth-Rennsteiglauf und feiern ein persönliches 20-jähriges Rennsteiglauf-Jubiläum(1). Auf den Höhenzügen des Thüringer Waldes findet in diesem Jahr zum 42. Mal ein Kultlauf statt, der mit insgesamt mehr als 15.000 Teilnehmern auf unterschiedlichen Strecken als größter Crosslauf Europas gilt(2).


Der Natur gehorchend bleiben wir bei unserer Rückkehr bescheiden und nehmen an der 35 km Nordic Walking Tour von Schnepfenthal nach Oberhof teil. Tatsächlich wäre eine Distanz von 36,6 km zu gehen, wenn nicht noch eine Umleitung die Strecke auf 37,7 km verlängern würde. Eine Gesamthöhendifferenz von 1.661 m (1061 m Anstiege und 600 m Abstiege) ist zusätzlich zu bewältigen. Diashow der Fotoserie


35 km Nordic Walking Tour von Schnepfenthal nach Oberhof


Unsere Nordic Walking Tour startet um 7:00 Uhr in Schnepfenthal an der Salzmannschule, die wir bereits gestern bei der Registrierung besichtigt haben.



Start an der Salzmannschule in Schnepfenthal
Der Start ist von unserer Unterkunft nur 400 m entfernt. Discomusik schallt herüber. Am Startort läuft ein Aufwämprogramm mit Vorturnerin Sandra. Kurz vor dem Start sind die üblichen Ansprachen unvermeidbar. Die Rennsteighymne wird jedoch nicht angestimmt. Hans-Georg Kremer(3) gibt auf dem Gelände der Salzmannschule den Start für ca. 400 Teilnehmer dieser Strecke bei idealem Wetter frei.
Über Nebentäler des Thüringer Waldes arbeiten wir uns von 367 m über NN auf den nächsten 11,5 km vorbei an der 'Dicken Eiche', dem 'Kornkochteich' und dem 'Gondelteich' auf das Niveau des Höhenzuges. An der 'Tanzbuche' wartet nach 1:50 Stunden die erste Verpflegungsstelle, aber noch verspüren wir keinen Bedarf. Kurz darauf erreichen wir den Kammweg des Rennsteigs(4) und treffen auf das Feld der Ultraläufer. Die 'Ultras' sind eine Stunde vor uns in Eisenach gestartet und haben bis hier bereits fast 30 km auf schwerer Strecke zurückgelegt. Bis Oberhof nutzen die beiden Felder nun die Strecke gemeinsam.


Blick vom Spießberg (749 m) über den Thüringer Wald
Possenröder Kreuz
Wie es sich für einen Kammweg auf einem Höhenzug gehört, verläuft der Kurs nun in einem ständigen, aber vorerst noch moderaten Wechsel von An- und Abstiegen zwischen 700 - 750 m Höhe. Da wir den Abschnitt der nächsten 10 km bis zur 'Alten Ausspanne' vor 2 Tagen gewandert sind(5), wissen wir, dass dieser Teil der Strecke keine großen Herausforderungen stellt. Die wirklich harten Anstiege erreichen wir erst auf dem letzten Drittel der Strecke. Neben dem anspruchsvollen Profil stellt die holprige Strecke des Cross-Country-Laufs zusätzliche Anforderungen. Nach den Regenfällen der vergangenen Tage haben sich zudem viele Pfützen gebildet und einige Passagen in Schlammbäder verwandelt.  
  
Ebertswiese
Vom 'Spießberg' (749 m) fällt die Strecke auf 700 m Höhe am 'Possenröder Kreuz', das etwas abseits aufgestellt ist und von der Laufstrecke nicht zu erblicken ist(6). Wenig später erreichen wir nach genau 3:00 Stunden die Streckenkontrolle an der Ebertswiese. Laut Zwischenzeit haben Walker 18,5 km und Läufer 37,5 km zurückgelegt, aber erfahrungsgemäß sind Kilometer-Angaben beim GutsMuth-Rennsteiglauf nur als grobe Orientierungspunkte zu verstehen. Jedenfalls ist für beide Gruppen hier ungefähr Halbzeit.
Solange wir den Lauf kennen, ist die große Verpflegungsstelle an der Ebertswiese ein Highlight aller Verpflegungspunkte. Daran hat sich offensichtlich in den vergangenen 11 Jahren nichts geändert, stellen wir fest. Nur der einsame Trompeter, der schon weit vor der Ebertswiese zu hören war, empfängt leider nicht mehr die Läufer, Walker und Wanderer. Viele Teilnehmer legen eine ausgiebige Pause ein, um sich für die 2. Hälfte zu stärken. Wir trinken nur einen Becher warmen Tee und ziehen schnell weiter.


Schutzhütte an der Alten Ausspanne
Hinter der nach dem 'Splitterbach' benannten 'Splitterbrücke' (715 m) führt ein kräftiger, aber überschaubarer Anstieg auf den 'Glasberg' (761 m). Die nachfolgende Verpflegungsstelle an der 'Neuen Ausspanne (714 m) bietet vor den bald anstehenden Prüfungen noch einmal Versorgung(7).
Der nächste größere Anstieg von der 'Neuen Ausspanne' (714 m) auf den 'Krämerod' (765 m) warnt vor dem nachfolgenden Hammer. Wie eine Wand liegt der 'Sperrhügel' (840 m) vor uns. Bis auf die weit vor uns laufende Elite mischen sich hier alle Läufer unter die Walker und selbst das Gehen erfordert beträchtliche Anstrengungen. Ab dem 'Sperrhügel' (840 m) ist der mehr als 2 km lange Anstieg nicht beendet, denn sogleich folgt die 'Schmalkalder Loibe' (882 m), die jedoch etwas weniger steil aufragt.
Bei der 'Ausspanne Neuhofer Wiese' (850 m) erwartet die Teilnehmer erneut eine große Verpflegungsstelle mit einem breiten Angebot. 'Schleim' (Haferschleim) wird ebenso gerne genommen wie Schmalzstullen und Obst. Würstchen sind eher keine Renner. Wir trinken nur 2 Becher, müssen aber die Pause ausdehnen, weil sich im rechten Oberschenkel ein Muskelkrampf einstellt. Die verbleibenden 12 km bis zum Ziel in Oberhof versprechen hart zu werden.

Ultraläufer in Oberhof
Das alte und lange vermisste Rennsteig-Feeling stellt sich ein. Vorsichtig nehmen wir wieder Fahrt auf. Die Muskulatur meldet keine größeren Probleme, aber nun rächt sich, dass wir in den letzten 4 Wochen aufgrund von Kniebeschwerden und Reiseaktivitäten nicht mehr seriös trainieren konnten. Der Körper verweigert seine Leistungsfähigkeit noch nicht vollständig, er schaltet aber auf Sparmodus um, weil die Substanz den Anforderungen nicht mehr gerecht wird.
Vom 'Wachsenrasen' (815 m) arbeiten wir uns über mehrere Geländewellen noch einmal bis auf fast 900 m Höhe und stolpern auf den 3 letzten Kilometern dem Ziel am 'Grenzadler' (837 m) bei Oberhof entgegen. Unter insgesamt 386 Finishern treffen wir im ersten Drittel des Feldes nach 5:46:47 Stunden im Ziel ein. Zeiten und Platzierung haben jedoch in Anbetracht zahlreicher joggender Pfuscher nur wenig Aussagekraft.




Motiv im Zielbereich von Oberhof
Motiv im Zielbereich von Oberhof
Oberhof bietet im Vergleich zu Schmiedefeld, wo alle anderen Wettbewerbe eintreffen, einen sparsamen Empfang. Im großen Festzelt spielt immerhin eine 3-köpfige Combo für die weit verstreut ankommenden, relativ wenigen Teilnehmer der Nordic Walking Tour auf. Ausgelassene Stimmung, wie wir sie von Schmiedefeld kennen, kann sich unter den gegebenen Bedingungen nicht einstellen.

Die Köstritzer Brauerei spendet jedem Teilnehmer ein Bier und eine Bratwurst. Das Bier ist gut, aber zu warm. Die Bratwurst ist verkohlt und darum ungenießbar. Wir waren offensichtlich nicht schnell genug, um den richtigen Verzehrzeitpunkt der gesponserten Produkte abzupassen. Die Atmosphäre im Zielbereich lässt uns bald zum Bus schlendern, der uns von Oberhof zurück nach Schnepfenthal schaukelt, wo wir uns nach Ankunft einen Schönheitsschlaf vor dem Abendprogramm gönnen.
Unser Fazit: Walking kann sehr anstrengend sein und verlangt in dieser Form solides Training. Vor allem aber war die Teilnahme am GutsMuth-Rennsteiglauf wieder ein sehr schönes Erlebnis, das wir für das nächste Jahr erneut anstreben. Für 2015 sind wir bereits gemeldet, ein Zimmer ist reserviert und positve Motivation stimmt uns optimistisch.



Unser Standort in Schnepfenthal (Diashow der Fotoserie)


Landgasthof Zur Tanne in Schnepfenthal
Aufgrund des Startortes bietet sich ein Quartier in Schnepfenthal an. Mit dem Landgasthof Zur Tanne finden wir eine angenehme Unterkunft für einen Aufenthalt über mehrere Tage. Wir möchten nämlich nicht nur an der Sportveranstaltung teilnehmen, sondern auch die nähere Umgebung erkunden und erwandern.
Ein erster, flüchtiger Eindruck des Ortes Schnepfenthal signalisiert Langweiligkeit. Auf dem zweiten Blick überraschen gleich mehrere kulturhistorisch bedeutende Objekte und Sachverhalte, die sich Besuchern nicht aufdrängen, sondern entdeckt werden wollen.





  

Salzmannschule in Schnepfenthal
Wie Jean-Jaques Rousseau war der aufgeklärte philanthropische Pädagoge und Pfarrer Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811) mit der Erziehungspraxis seiner Zeit nicht einverstanden. Er gründete vor 230 Jahren eine eigene 'Erziehungsanstalt', die als Salzmannschule nicht nur noch immer existiert, sondern mit ihrem Autritt auch in der Gegenwart beeindruckt (Webseite der Schule).
Das pädagogische Programm seiner Schule hatte revolutionäre Bedeutung und muss sich gegenüber aktuellen Schulprogrammen keineswegs verbergen. Im Unterschied zu pädagogischen Programmen der Gegenwart, die individuellen Erfolg primär am Bedarf ökonomischer und politischer Strukturen bemessen, erkannte Salzmann (neben dem Bildungskanon) den Wert körperlicher Ertüchtigung für die persönliche Lebensbewältigung. Sein bester Mann war Johann Christoph Friedrich GutsMuth (1759-1839), den Salzmann als Lehrer einstellte. GuthsMuth verknüpfte Theorie mit Praxis. Er stellte seinen Lehrstoff gleichberechtigt neben handwerkliche Arbeit, Spielen, sportliche Übungen und gemeinsame Wanderungen. Aus praktischer Erfahrung entwickelte GutsMuth frühe Ansätze einer auch therotisch begründeten Methodik der Sportpädagogik. GutsMuth inspirierte seinen als 'Turnvater Jahn' bekannten Schüler Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) zur erfolgreichen Fortsetzung seiner Ideen.

Motiv auf dem historischen Waldfriedhof von Schnepfenthal
Wir suchen und finden dank Nachfragen den etwas versteckt liegenden historischen Waldfriedhof, auf dem Christian Gotthilf Salzmann und Johann Christoph Friedrich GutsMuth bestattet sind. Verwitterte Grabsteine müssen wir zunächst ein wenig reinigen, um Inschriften erkennen zu können.











Erster deutscher Gymnastik- und Sportplatz in Schnepfenthal
Unmittelbar hinter unserer Unterkunft, aber ebenfalls nicht spontan zu finden, liegt der von Johann Christoph Friedrich GutsMuth (1759-1839) eingerichtete erste deutsche Gymnastik und Sportplatz. Mit dem  GutsMuth-Rennsteiglauf ist dem bedeutenden, aber nur wenigen Teilnehmern bekannten Pädagogen ein würdiges Denkmal im Sinne seiner Ideen gesetzt.   


 







Bäckerei in Schnepfenthal
Erwähnung verdient auf der Hauptstraße in Schnepfenthal eine kleine Bäckerei, die gute Produkte und freundlichen Service zum kleinen Preis anbietet. 













Anmerkungen


(1) Persönliche Chronologie der Teilnahmen am GutsMuth-Rensteiglauf
(2) 2.147 Finisher verzeichnet in diesem Jahr die Königsstrecke, der 'lange Kanten', mit einer Streckenlänge von 72,7 km und einer Gesamthöhendifferenz von 2.439 m (1.470 m Anstiege, 969 m Abstiege). Seit 1997 wird von Eisenach nach Schmiedefeld gelaufen. Trotzdem variieren Distanz und Strecke alljährlich mit den örtlichen Gegebenheiten. 1999 waren 76 km zurückzulegen und in den Folgejahren lag die Distanz bei 74 km. 5 eigene Teilnahmen auf dem 'Langen Kanten' bleiben unvergessen. 2001 und 2003 haben wir die Strecke im Gleichschritt zurückgelegt. Die beiden Läufe zählen zu unseren schönsten Lauferinnerungen.

(3) Hans-Georg Kremer ist einer von 4 Gründern des GutsMuth-Rennsteigslaufs, der am 12. Mai 1973 erstmals ausgetragen wurde und unter der Bezeichnung '100-km-GutsMuth-Gedenklauf' als Gruppenlauf von der 'Hohen Sonne' bei Eisenach bis nach Masserberg führte. (Laudatio der Uni Jena anlässlich der Pensionierung H.-G. Kremers im Jahr 2011:)

(4) "Der Rennsteig ist ein ca. 170 km langer Kammweg sowie ein historischer Grenzweg im Thüringer Wald, Thüringer Schiefergebirge und Frankenwald. Außerdem ist er der älteste und mit etwa 100.000 Wanderern jährlich der meistbegangene Weitwanderweg Deutschlands. Er beginnt im Eisenacher Stadtteil Hörschel am Ufer der Werra und endet in Blankenstein an der Selbitzbrücke."  (Zitat aus dem Artikel Rennsteig in Wikipedia)

(5) Post vom 15.05.2014: Rennsteigwanderung über den Spießberg zur alten Ausspanne ab/bis Finsterbergen

(6) Den in der Form eines Malteserkreuzes gearbeiteten Stein erklärt eine benachbarte Tafel als mutmaßliches mittelalterliches Sühnekreuz für einen hier verübten Totschlag. Ullrich Göbel hat recherchiert und beschreibt auf der Webseite des Rennsteigvereins seine Erkenntnisse zum Possenröder Kreuz.

(7) Am Rennsteig liegen mehrere 'Ausspannen', an denen im Zeitalter von Pferdetransporten Fuhrleute aus umliegenden Dörfern Handelsreisenden zusätzliche Pferde zur Überwindung von Pässen anboten. 



    

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